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Sigurd Larsen

"Man muss gute Geschichten erzählen können"

Sigurd Larsen in seinem Studio in Berlin Kreuzberg Sigurd Larsen in seinem Studio in Berlin Kreuzberg
Text/ Interview: Sara Umbreit, Fotos: Damian Tauchert

Wir haben den dänischen Architekten und Möbeldesigner Sigurd Larsen in seinem Studio in Berlin Kreuzberg besucht und mit ihm über die Verbindungen beider Disziplinen gesprochen...

Eine starke Geschichte hinter jedem Projekt hält Sigurd Larsen für essentiell. Er mag es Mehrwerte für die Menschen zu kreieren und Konzepte erfahrbar zu machen.

Nachhaltigkeit ist für ihn nichts, was er proklamieren möchte, sondern etwas, das sich seiner Ansicht nach selbstverständlich in unsere Umgebung einfügen sollte.

Sara: Unterscheidet sich für dich das Arbeiten an Architektur- und Einrichtungsprojekten voneinander?

Sigurd Larsen: Eigentlich nicht. Ich arbeite gern auch an beidem parallel. Oft ist es so, dass eine Idee für ein Gebäude später genutzt wird für ein Möbelstück. Ich versuche immer beides zu kombinieren und einen Austausch entstehen zu lassen. Manchmal verliebt man sich einfach auch in ein Material. Unsere Betonmöbel sind zum Beispiel so entstanden! Eigentlich ist das Material für die Bauindustrie bestimmt. Damit baut man normalerweise ganze Hochhäuser. Wir wollten damit dann Möbel bauen - ich fand die Ästhetik total interessant. Diese Art von Austausch finde ich am spannendsten.

Sara: Welche Rolle spielt konzeptionelles Arbeiten für dich?

Sigurd Larsen: Wir arbeiten sehr konzeptionell. Es muss immer eine starke Idee dahinter stecken! Das kann man wunderbar an unserem Projekt für das Michelberger Hotel sehen. Die Räume, die wir dort gestaltet haben sind sehr konzeptionell. Andersherum muss jedes Konzept aber auch funktionieren können. Vor allem in der Architektur geht es nicht darum nur ein Kunstwerk zu schaffen, sondern es soll auch etwas Nutzbares dabei entstehen.

Sara: Welche Idee steht hinter dem Konzept, dass du für das Michelberger Hotel erarbeitet hast?

Sigurd Larsen: Das Michelberger Hotel hat eine neue Serie von Zimmern, die wir unterschiedlich gestaltet haben. Wir haben das gesamte Konzept erarbeitet, die Räume entkernt, jeweils Küche und Sauna integriert und bei der Gestaltung dann mit komplett leer stehenden Räumen von null angefangen. Die Idee dahinter ist, die Ankunftssituation des Gastes als Ausgangspunkt für das Konzept zu nehmen. Wenn man irgendwo neu ist, möchte man ja alles erstmal erkunden und erforschen. Deshalb haben die Hide-out Räume zum Beispiel viele Türen und Klappen, die den Besucher das Zimmer spielerisch entdecken lassen. Nach jeder Öffnung einer Tür entsteht dann eine neue Verbindung zwischen den Räumen. Der Gast kann so nach Bedarf das Zimmer für sich individuell ausrichten.

Sara: Welche vergangenen Projekte haben dich besonders herausgefordert?

Sigurd Larsen: Wir haben gerade erst zwei neue Projekte gestartet, die eine große Herausforderung sind. Dabei geht es um zwei Einfamilienhäuser in Dänemark, in der Nähe von Kopenhagen, die günstig und nachhaltig zugleich sein müssen. Die Aufgabe fanden wir sehr spannend! Das heißt, für relativ wenig Geld müssen wir ökologisch bauen. Da müssen wir wirklich kreativ sein, um alles innerhalb des Budgets realisieren und auch die Nachweise der Nachhaltigkeit liefern zu können. Das ist definitiv ein Akt, aber wir sind dran und die Baugenehmigung kam diese Woche! (lacht) Wir haben es geschafft - nach drei Monaten intensiven Prozesses. Das war auf jeden Fall eine große Herausforderung. Ich habe ganz bewusst dazu ja gesagt - der Lernerfahrung wegen. Dieses Wissen war mir sehr wichtig. Am Anfang neuer Herausforderungen steht immer erstmal ein großes Fragezeichen, dass sich im Laufe des Prozesses dann umwandelt. Doch diese Aufgaben sind besonders spannend, da man gezwungen ist anders zu denken. Wir haben zum Beispiel auch hier ein Projekt (zeigt auf Modell) wo es um sehr schmalen Wohnraum für Studenten geht und darum, wie man es schafft den Platz zu maximieren und eine Flexibilität entstehen zu lassen.

Sara: Hast du einen persönlichen Fokus der sich durch deine Arbeit als Architekt und Designer zieht?

Sigurd Larsen: Gute Frage. Ich finde man muss immer gute Geschichten erzählen können. Wenn man nichts zu den Projekten sagen kann, dann werden sie auch als langweilig erlebt, denke ich. Natürlich erkläre ich nicht jedem, der in einen Raum kommt, woher genau die Idee stammt, aber er soll es dann allein erfahren können. Und wenn dieser Anspruch nicht Teil des Konzepts ist, wird der Raum dann auch als relativ nichtssagend wahrgenommen. Darum finde ich, es muss die Idee, das Konzept, immer auch noch spürbar sein am Ende, ansonsten wird es eher zu einer Lösung von einer Reihe vieler kleiner Probleme. Natürlich braucht man ein Dach wenn es regnet, aber auch mit einem Dach kann man eine Geschichte erzählen, die auch in der Gestaltung thematisiert werden kann. Ich denke es geht immer darum einen Mehrwert zu schaffen.

Sara: Ist Nachhaltigkeit auch ein Fokus von dir?

Sigurd Larsen: Ich mache das nicht zu einem Aushängeschild, freue mich aber darüber wenn wir nachhaltig arbeiten können. Ich glaube es gibt drei Stufen zum Thema ökologisches Design. Da gibt es zum Beispiel Ökologisches Design 1.0 - in etwa vom Stil vergleichbar mit der Freistadt Christiana. Dort sieht man zusammengezimmerte secondhand-Fenster aus Bauteilen. Das war wohl die erste Runde von ökologischem Bauen. Die zweite Runde, war eher eine Art High Tech Runde. Dort erscheinen Solar Panels und Windmühlen auf den Dächern. Alles wirkt sehr technologisch umgesetzt, viel Glas, glänzende und glatte Oberflächen. Und Runde 3 ist glaube ich, dass man garnicht mehr sieht, dass es ökologisch ist. Es ist einfach selbstverständlich und fügt sich natürlich ein. Ich freue mich auf Stufe 3! (lacht)

Sara: Hast du Wunschprojekte für die Zukunft?

Sigurd Larsen: Im Moment arbeiten viel an Wohn- und Hotelprojekten. Wo man noch viel Abenteuerliches machen könnte wären zum Beispiel Bibliotheken. Vielleicht sind die in der Zukunft garnicht mehr nur einfach ein Speicher von Büchern. Öffentliche Räume, die seit jeher den gleichen Konzepten unterworfen sind, neu zu interpretieren, wäre spannend. Oder zum Beispiel größere Wohnhäuser gestalten. Das ist ein Bereich, in dem könnte ich mein ganzes Leben lang arbeiten. Ich finde Wohnen als Programm extrem spannend.

Oak Shelves by Sigurd Larsen
The Concrete Table by Sigurd Larsen

Sara: Du bist auch als Dozent an der Universität der Künste in Berlin für Architektur tätig. Zeichnet sich bei der neuen Generation an Designern und Architekten eine bestimmte Richtung ab? Spürst du einen bestimmten Zeitgeist der in den kommenden Jahren diese Bereiche beeinflussen wird ?

Sigurd Larsen: Ich glaube wir bewegen uns gerade wieder weg vom Modernismus und hin zu einem Bereich, wo wir etwas erleben wollen. Haptik ist ein großes Thema. Im Moment sehen wir noch viel Brutalismus. Wir sitzen stundenlang vor Bildschirmen und dort ist alles sehr flach und wenig haptisch. Unsere physische Umgebung wird spannender, wenn es dort Textur gibt. Aber generell glaube ich, dass wir uns immer in Tendenzen hin- und her bewegen. Zur Zeit suchen die Menschen wieder nach mehr Langlebigkeit und Mehrwert bei Produkten. Das kann sich jedoch auch wieder ins Umgekehrte bewegen. Dann suchen die Leute bewusst wieder mehr nach etwas Temporärem. Es schwingt immer hin- und her wie ein Pendel.

Text/Interview: Sara Umbreit
Fotos: Damian Tauchert