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Mark Braun

"Misserfolge analysiert man kurz und vergisst sie dann am besten ganz schnell"

Text/Interview: Sara Umbreit / Björn Valentin, Fotos: Jules Villbrandt

Der vielfach ausgezeichnete Designer Mark Braun spricht mit uns über seine Arbeit in seinem berliner Studio und sein neustes Projekt für das französische Möbelstudio Hartô...

Deine Großeltern waren Architekten, hat es dich nie gereizt auch Architekt zu werden?

Mark: Richtig, mein Großvater war Architekt und meine Großmutter Künstlerin – sie hatten ein sehr schönes Haus in Bayern und ein tolles Sommerhaus in Schweden, in denen sie viel Wert auf ihre Einrichtung gelegt und sich bewusst mit Designklassikern umgeben haben. Sie begleiten meine tägliche Arbeit übrigens immer noch, da meine Großmutter mir einige ihrer Werkzeuge sowie ihre geliebte Atelierleuchte vererbt hat. Mittlerweile beschäftige ich mich aber viel mehr mit der „Mikroarchitektur“. Ich finde dabei die kürzeren Zyklen viel spannender, da ich schneller ein Resultat in den Händen halten kann. Vor knapp 20 Jahren habe ich darum auch erst die Lehre zum Tischler und anschließend das Diplom in der Fachrichtung Keramik- und Glasdesign absolviert.

Mark Brauns Studio in Berlin Alt-Treptow

Verwendest du lieber Keramik, Glas oder Holz?

Mark: Mit Keramik bzw. Porzellan kann ich am besten umgehen, da ich mich hier intensiver mit dem Material befasst habe und alle Prozesse sehr gut kenne. Allerdings habe ich auch schon Glasflaschen entworfen, die in großer Stückzahl produziert wurden oder auch mundgeblasene Gläser für Manufakturen entwickelt – trotzdem bin ich bei Glas nicht so routiniert wie bei Keramik. Am meisten interessiert mich momentan aber das Thema Möbel. Hier kann ich einen für mich komplett neuen Markt entdecken und erobern. Ob Stühle, Tische oder eben das Regal Edgar für HARTÔ – dies sind alles Produkte, für die ich immer mehr Herzblut entwickelt habe.

Mark Brauns Entwurf Edgar für das französische Möbelstudio Hartô

Was hälst du denn von futuristischen und intelligenten Werkstoffen wie Kunststoff?

Mark: Ich arbeite unter anderem in der Lehre mit der designfabrik von BASF zusammen, die für viele Innovationen im Bereich Kunststoff bekannt sind und werde darum auch in Zukunft nicht vor Kunststoff zurückschrecken. Ich werde aber immer nur Produkte entwerfen, die länger verwendet werden können bzw. die einen längeren Lebenszyklus haben. Sollte Kunststoff das ideale Material für den jeweiligen Produktkontext sein, dann arbeite ich natürlich gerne mit Kunststoff. Ich habe dazu großes Interesse an digitalen Produktionstechniken die auch viel mit Kunststoffen zu tun haben. Entwürfe visualisieren wir bereits jetzt schon mit Hilfe eines 3D-Druckers und ergänzen damit bewusst den manuellen Prozess des Modellbaus. Das geht oft viel schneller als etwas zu modellieren und ist einfach effizienter. Unser Berufsstand verändert sich eben laufend und wir müssen uns ebenfalls immer weiterentwickeln.

Du hast direkt nach dem Studium ein eigenes Designstudio in Berlin gegründet – dazu gehört Mut. War es für dich schwierig in der Szene Fuß zu fassen und Aufträge zu bekommen?

Mark: Mein erster Auftrag war es zusammen mit einem Architekten den Empfangsbereich für ein cooles Start-up zu gestalten. Es war also eher eine Arbeit für mich in der Rolle des Tischlers, wobei ich natürlich auch kaufmännisch alles verantworten musste. Ich habe in der Anfangszeit generell viele eigene Produkte produzieren lassen und mich dann um den Vertrieb gekümmert. Um aber mehr auf Lizenzbasis arbeiten zu können, gründete ich im Jahr 2006 mein eigenes Designstudio in Berlin. Der erste richtige Designauftrag mit internationaler Resonanz kam dann 2008, als ich die Leuchte Lingor für Authentics entworfen habe – dies war sozusagen mein Durchbruch als Autoren-Designer. Es hat aber noch einmal ungefähr fünf Jahre gedauert, bis meine Firma so wachsen konnte, dass ich Mitarbeiter eingestellt habe.

Beeinflussen Designpreise deine Arbeit?

Mark: Sie sind Feedback und Anerkennung für unsere Arbeit. Es ist eben auch eine schwierige Branche, in der wir arbeiten. Viele Designer müssen bereits früh wieder aufhören und insofern ist es sehr wichtig durch möglichst vielfältige Projekte inspiriert und durch Preise belohnt zu werden. Die Erfolge müssen dann natürlich gefeiert werden. Die Misserfolge analysiert man kurz und vergisst sie dann am besten ganz schnell.

Wie sieht deiner Meinung nach die Zukunft des Wohnens aus? Gibt es Trends, die du in deiner Arbeit berücksichtigst?

Mark: In Zukunft wird es vermutlich weniger, aber bessere Produkte geben. Allein schon durch die Digitalisierung wird es weniger Produkte geben. Ich glaube, dass diese wenigen Produkte den Besitzern viel Halt geben werden und Charakter haben. Wenn ich umziehe und keine „austauschbaren“ Möbel mehr habe, sondern nur noch meinen Lieblingsstuhl und mein Lieblingsregal, dann nehme ich auch immer direkt ein Stück Identität mit in die neue Wohnung. Diesen Trend unterstütze ich natürlich, indem ich charmante Möbel entwerfe, die nicht einfach nur modisch und verwechselbar sind, sondern identitätsstiftend. Es wird trotzdem immer Möbel als eine Art Lebensabschnittsprodukt geben und wenn dieser Lebensabschnitt vorbei ist, werden auch die Möbel ausgemistet. Dies wird aber eben nicht mehr jedes Jahr passieren.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit dem jungen französischen Studio HARTÔ?

Mark: Die Zusammenarbeit mit HARTÔ kam über meine Verbindung zu HARTÔ‘s Creative Director Mathieu Galard – wir haben uns auf der Maison & Objet in Paris kennengelernt. Mit ihm habe ich mich immer wieder über neue Themen, Trends und Inspirationen ausgetauscht. Auf einer Messe zeigte ich ihm dann mein 4+1 Regal und ein Jahr später stellte er mich HARTÔ vor – dann ging auf einmal alles ganz schnell. Man muss wirklich sagen, HARTÔ ist unglaublich dynamisch und handlungsfähig. Bei der Herstellung in Portugal stimmt dann noch die Qualität – die machen dort ihren Job wirklich gut. Die Zusammenarbeit mit Mathieu und dem gesamten HARTÔ Team funktioniert hervorragend, es ist geprägt von gegenseitigem Respekt und selbst kleinste Details werden immer mit uns Designern abgestimmt: Der Entwurf ist sozusagen das Herz des Produktes, dann geht es in die Produktion und dann braucht es vor allem einen guten Verleger – das ist bei HARTÔ einfach gegeben.

Regal Edgar, designt für Hartô

Edgar ist stapelbar, lässt sich aber auch perfekt als breites Sideboard aufbauen, es ist ideal für jede Wand und jede Ecke – für wen hast du Edgar entworfen?

Mark: Ursprünglich habe ich Edgar für einen erfolgreichen deutschen Möbelhersteller entworfen, dort sind die Kunden normal- bis gutverdienende Akademiker mit einer schönen Loft- oder Altbauwohnung. Bei „Edgar“ kann jeder selbst entscheiden, wie er sich präsentieren möchte. Es gibt ja auch Farbkombinationen, die sehr erwachsen sind. Vom erfolgreichen Start-up Gründer um die 20 bis zum etablierten Akademiker – für jeden ist Edgar somit das ideale Produkt. Durch die farbigen Zwischenwände ist es sehr identitätsstiftend: Wie drücke ich mich aus, welche Module entsprechen meinem Charakter? Ich wollte zusätzlich aber auch eine praktische Organisationshilfe schaffen, in der Gegenstände durch die +1 Fläche wie vor einer Art Bühnenbild hervorgehoben werden oder dahinter versteckt werden können. Die Fläche kann zudem als Buchstütze fungieren, indem Bücher daneben eingeordnet werden. Es ist aber natürlich auch einfach ein stylisches Lifestyleprodukt, das funktional als Raumtrenner eingesetzt werden kann.

Edgar